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Jim Lindberg im Gespräch am 16.03.2000 |
SD:
Euer Erfolg basiert zu einem grossen Teil auch auf Skate- und Surfvideos.
Glaubst Du, das wäre heute auch noch möglich, viele Skaters sind heute
eher auf der Hip-Hop-Schiene.
JL: Hip-Hop ist nicht kommerziell, auch wenn einige Leute immer wieder
versucht haben, den Hip-Hop zu kommerzialisieren. Skaten ist in vielen
US-Städten nicht erlaubt, weder auf Gehwegen noch in Parks. Vielen Jungen
geht das auf die Nerven und sie neigen zu Aussagen wie: 'Fuck the Cops'
und so weiter. Und genau das ist, was Hip-Hop und Punkrock ausmacht: Die
Autoritäten in Frage stellen.
SD: Was denkst Du über die Skatescene hier in der Schweiz?
JL: Sie gefällt mir! Zürich hat wahrscheinlich eine der besten in ganz
Europa, überall Skaters, grossartig!
SD: Züruck zu den Videos. Sie waren ja ein relativ neues Medium für
Euch. Was ist mit dem Internet? Ist es wichtig für Dich, für Pennywise?
JL: Ja, es ist sehr hilfreich um mit den Fans in Kontakt zu kommen. Sie
schreiben uns, ob ihnen eine Show, eine CD oder was auch immer gefallen
hat (oder nicht). Oder sie senden uns Bilder von Konzerten und so. Es ist
schneller und komfortabler als alles andere. Aber es ist nicht wichtig für
die Skatescene selbst.
SD: Wer sagt Euch, wo Ihr Eure Musik plazieren sollt (in Videos oder Games
zum Beispiel)? Ist das immer das Label?
JL: Ja, Epitaph macht uns Vorschläge, fast jeden Tag haben sie eine neue
An-frage. Im Moment sagen wir eigentlich immer zu, es gefällt uns. Aber
es wird auch wieder eine Zeit geben, wo wir nur Absagen werden, wo wir
nicht wollen, dass unsere Musik überall plaziert wird. Wir müssen unsere
Band und das was wir repräsentieren, schützen. Aber es gab nie eine
Zeit, wo uns Epitaph ausverkauft hat!
Meiner Meinung nach muss eine Band zwei Sachen tun für einen Fan: Gu-te
Musik spielen und ein- oder zweimal im Jahr ein Konzert in seiner Stadt
geben. Alles andere ist nur um Geld zu verdienen und lenkt ab von der
Musik, die man macht.
SD: Wie wichtig sind die Lyrics in Eurer Musik?
JL: Für mich sind sie alles. Es gibt viele Bands, die musikalisch und
technisch besser spielen als wir. Aber ich glaube den Leuten gefallen die
Lyrics, die Themen zu denen wir etwas zu sagen haben, deshalb hören sie
auch un-sere Musik. Natürlich gibt es auch jede Menge Leute, denen unsere
Lyrics nicht gefallen, die wollen Negatives hören... Aber jemand, der
sich für Po-litik und das Weltgeschehen interessiert, oder jemand, der an
UTOPIA glaubt, dem gefällt unsere Musik.
Es gibt Leute die werfen uns vor, zu predigen und wir sollten besser Musik
machen. Aber für mich ist es nicht predigen, für mich ist es ein Weg,
et-was für unsere Gesellschaft zu tun.
Dies beginnt klein in deinem eigenen Umfeld. Zum Beispiel der Strand, an
dem wir surfen: in der Nähe hat es die grösste Kläranlage der Welt, all
die Abfälle von ganz L.A. werden da in den Ozean geleitet. Ich will
nicht, dass es so rauskommt wie in New Jersey, wo sie nicht mehr ins
Wasser kön-nen, weil alles so verschmutzt ist. Also haben wir einige
Wohltätigkeits-konzerte organisiert, über 13'000 Leute kamen. Wir als
politische Band dürfen nicht nur über Politik singen, wir müssen
handeln.
SD: Bringen uns die neuen Technologien (Internet, mobile Kommunikation,
...) näher zu UTOPIA?
JL: Ich glaube sie haben ein riesiges Potential dazu. Unsere Eltern haben
die-se Welt ganz übel zugerichtet. Es gibt jede Menge fanatischer Leute
über-all auf dieser Welt, zum Beispiel bei uns in den USA, der rechte
katholi-sche Flügel konnte verbieten, dass die Schulen die
Evolutionstheorie un-terrichten. Das ist verrückt!!!
Mit dem Internet wird es möglich sein, dass die liberaleren Leute
zusam-menfinden und miteinander kommunizieren werden. Dadurch verbreitet
sich ihr Horizont gewaltig. Und unsere Kinder wachsen mit diesem
breite-ren Horizont auf. Sie werden nicht mehr automatisch glauben, was
ihnen die Regierungen vorsetzen.
SD: Was denkst Du über die Kinder von heute? Sind sie nicht weniger
politisch und mehr an Eurer Musik als an Euren Lyrics interessiert?
Nein, glaube ich nicht. In unserer Stadt zum Beispiel, gibt es
Footballplät-ze,
Baseballplätze und all diese normalen Sportmöglichkeiten. Die Kinder
wollten aber eine Skateboardarena. Also haben sie sich überlegt, was sie
tun können, um diese zu kriegen, sind zum Stadtrat gegangen und haben ihr
Anliegen vorgebracht. Heute haben sie ihren Skateboardplatz.
Die jungen Leute realisieren, dass auch sie mitbestimmen können was um
sie herum geschieht. Dadurch beginnen sie sich auch mehr und mehr für
Politik zu interessieren. Genau darum geht es in unserem Song 'My own
country'. Wenn du eine Veränderung willst, dann musst du hingehen und
etwas tun, damit sich etwas verändert. Und du wirst die Veränderung
hin-kriegen.
SD: Es verwirrt mich ein wenig, dass in einer der ältesten Demokratien,
die Menschen motiviert werden müssen, um zu wählen. Bedeutet das nicht,
dass die Demokratie gescheitert ist?
JL: Nein, es heisst nur, dass die Leute sich daran gewöhnt haben. Wenn du
alles hast, ist es natürlich, dass du die Motivation verlierst. Daher ist
es sehr wichtig, ein gutes Bildungssystem zu haben, denn durch gute
Bildung engagieren sich alle mehr für die Gesellschaft. Das ist eines der
Hauptprobleme in den USA, das Bildungssystem ist so 'fucked off', die
Lehrer kriegen fast keinen Lohn, wenn dies besser wäre, würden sich alle
auch mehr engagieren. Aber zurück zu Deiner Frage: für mich ist eine
Regierung, die vom Volk bestimmt wird, die EINZIGE Alternative!
SD: Was wäre ein 'punk-way' um das Internet zu nutzen?
JL: In Zukunft wird jede Band ihr eigenes Label haben. Es ist so einfach,
ein solches zu starten, du brauchst nur all diese Papiere auszufüllen und
eine Steuernummer zu beantragen, dann brauchst du noch eine Website von wo
die Leute deine Musik downloaden können. Etwas Werbung in einigen
Magazinen um das ganze bekannt zu machen und du bist dabei. Wozu braucht
man da noch ein Label?!
Das ist auch der Grund, weshalb die ganze Musikindustrie so Angst hat vor
dem Netz. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Menschen die
Einfach-heit vom Internet realisieren. Vor drei Jahren war das Internet
ein Nichts, heute wissen alle worum es geht und das wird sich in den nächsten
Mona-ten dramatisch zuspitzen. Internet wird die Gesellschaft verändern
wie einst das Telefon. Es verändert die täglichen Einkäufe, es ändert
die Musikbranche, es ändert das 'banking', es ändert die Medizin. Du
findest alle Antworten auf jedes medizinische Problem im Internet.
Alles wird sich ändern und die Musikindustrie ist eines der ersten Dinge,
die ändern wird.
SD: Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage nach dem Preis. Heute ist
es ja möglich, Musik gratis zu bekommen über das Netz?
JL: Da muss es einen Weg geben, das zu regulieren. Viele Leute sagen, es
sollte gratis bleiben, das Problem ist nur, dass wir, als Band, auch einen
Lebensunterhalt brauchen. Oder auch Geld brauchen, um unsere Instru-mente
zu kaufen.
SD: Wird das Internet die Jobs nicht auf negative Weise verändern?
JL: Es ist bestimmt gefährlich. Viel Arbeit kann von Computern gemacht wer-den, aber dadurch haben die Menschen auch mehr Zeit und Motivation,
sich mit anderen Gedanken zu beschäftigen.
SD: Und wie werden sie dann das Geld verdienen?
Ich weiss es nicht. Das ist eine Frage, die sich vor allem unsere Kinder
werden stellen müssen. In Zukunft werden nicht wir den Computer mit
Informationen füttern, sondern er wird uns Antworten liefern. Bleibt zu
hoffen, dass sie nicht die Kontrolle übernehmen wollen über unseren
Planet.
Wir können uns jetzt noch nicht einmal vorstellen, wie es sein wird.
Unse-re Lebenserwartung wird höher, da Computersysteme herausfinden
wer-den, wie wir zum Beispiel Krebs besiegen können.
Allgemein werden wir mehr Zeit haben, und genau darüber ist unser
neus-tes Album: Zeit und Zeitvergeudung. So viele Länder, so viele
Religionen bekriegen sich, wenn alle besser zusammenarbeiten würden, könnten
wir viel mehr Probleme lösen anstatt immer neue zu schaffen. Wenn du nach
Irland schaust: Da sprengen sich Leute gegenseitig in die Luft, nur wegen
einigen kleinen Unterschieden in der Bibel, oder in den USA, wo Ärzte
er-schossen werden, nur weil sie Abtreibungen vollziehen, überall auf der
Welt gibt es solche wahnsinnigen Sachen.
Unsere Musik soll die Jungen motivieren, die Arme gegen solche Sachen zu
erheben.
SD: Letzte Frage: Wer spielte den Piano-Song auf Full Circle?
Das war Rony King. Er spielt bei den Joy-Killer, die letztes Jahr mit uns
hier waren. Er setzte sich einfach an das Klavier und begann zu spielen.
Wir stellen ein Mikrofon dazu und das wars. Im Hintergrund hörst du
Fletcher reden, mein Gott, war er betrunken!
SD: Danke Jim für dieses Gespräch!
Ari Byland & Christian Ryser für www.greenbreak.ch